Zum Inhalt springen

Nigeria: Wie sich Boko Haram mit Drogen finanziert

Eine ganze Region droht durch den Kampf der nigerianischen Terrororganisation Boko Haram ins Chaos zu stürzen. Mit Geld aus dem Drogenhandel können sich die Extremisten nahezu ungehindert mit Waffen und Personal versorgen. Denn trotz Gebietsverlusten gelingt es Boko Haram nach wie vor, den Norden des Landes mit stets neuen Bluttaten heimzusuchen. | Bild: © n.v.

Die Terrororganisation Boko Haram überzieht seit über 10 Jahren den Norden Nigerias mit brutalen Gewaltakten. Die Dschihadisten haben zuletzt zwar teils erhebliche Gebietseinbußen erlitten, aber ihre Schlagkraft scheint ungebrochen. Die Tatsache, dass die islamistische Sekte nach wie vor aktiv ist, hängt auch mit ihrer Verstrickung in den globalen Drogenhandel zusammen. Eine Einnahmequelle, die sich aus den Absatzmärkten in Europa speist, und die Stabilität des gesamten Landes gefährdet.

Nigeria ist mit über 190 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Im Jahr 2017 verfügte es, nach Schätzungen des IWF, mit einem BIP-Volumen von fast 395 Milliarden US-Dollar über die größte Wirtschaftskraft des afrikanischen Kontinents. Das Land ist reich an Rohstoffen und exportiert hauptsächlich Erdöl und Erdölprodukte. Die Landwirtschaft ist ebenfalls ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Diese Zahlen und die eigentlich günstigen ökonomischen Standortfaktoren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nigeria mit großen Problemen zu kämpfen hat. Hier sei die krasse Armut in der Bevölkerung erwähnt. Etwa 100 Millionen Menschen müssen mit rund 1 US-Dollar pro Tag auskommen. Ferner hemmt die massive Korruption im Staatsapparat die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Laut dem kürzlich veröffentlichten Corruption Perception Index von Transparency International rangiert Nigeria im Jahr 2017 auf dem 148. Platz von derzeit 180. 1) 2) 3) 4) 5)

Zusätzlich hat sich seit der Demokratisierung des Landes in den traditionell islamisch geprägten Bundesstaaten im Norden eine Tendenz hin zu einer fundamentalistischen Islamauslegung ergeben. Unter Berufung auf die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit wird die Scharia dort seit 2001 in 12 Gliedstaaten teilweise oder vollständig angewandt. Als Keimzelle des nigerianisch-islamistischen Terrors hat sich hier die Sekte Boko Haram entwickelt, die mit Waffengewalt – u.a. auch durch den Einsatz von Kindersoldaten und Selbstmordattentätern – die Durchsetzung der Scharia im gesamten Staatsgebiet und ein Verbot einer nach westlichen Werten gestalteten Bildung erreichen will. 6) 7) 8)

In der jüngsten Zeit ist die Terrormiliz zwar militärisch unter Druck geraten und wird im Grenzgebiet von einer Koalition, bestehend aus Nigeria und seinen Nachbarstaaten, bekämpft. Gleichzeitig wird der bewaffnete Konflikt aber von Seiten der Dschihadisten auch in die angrenzenden Staaten getragen. Vergleichbar mit dem Islamischen Staat verübt Boko Haram nun zunehmend gezielte Anschläge, die von Einzeltätern oder kleineren Zellen ausgeführt werden. Koordinierte militärische Aktionen haben derzeit nicht mehr oberste Priorität, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Miliz nach wie vor über das entsprechende Personal und die nötigen finanziellen Ressourcen verfügt, um weiterhin die Instabilität in der Region zu befördern. 9)

Seine Aktivitäten finanziert Boko Haram auf verschiedene Art und Weise. Neben Raub, Plünderung und Erpressung gehört auch der illegale Handel mit Waffen und Drogen zu den Einnahmequellen der Terroristen. Die Staaten an der Küste Westafrikas sind schon lange als Transitländer für den internationalen Drogenhandel etabliert. Hier landen die Lieferungen der lateinamerikanischen Drogenkartelle und werden weiter auf ihren Weg nach Europa oder in die lokalen Absatzmärkte geschickt. Boko Haram – wie andere kriminelle Gruppierungen auch – beteiligen und bereichern sich als Schieber an diesen Geschäften und erheben zum Teil auch steuerähnliche Abgaben auf die in ihrem Einflussbereich gehandelten Waren. Auf diesem Weg konnte die Terrororganisation eine lukrative, ungehindert sprudelnde Geldquelle erschließen und hat so die Kapazitäten, den Kampf weiterführen. 10) 11) 12)

Zusätzlich wird die Lebenssituation der Bevölkerung im muslimisch geprägten Norden des Landes durch die Einsätze der Armee negativ beeinträchtigt. Das Militär geht mit äußerster Härte gegen die Kämpfer von Boko Haram vor. Durch die Jagd nach untergetauchten Mitgliedern und mutmaßlichen Unterstützern der Gruppe hat sich zusätzlich ein Generalverdacht gegen die muslimischen Einwohner etabliert. Das repressive Verhalten von Seiten der Regierungstruppen droht die instabile Lage in einen ethnischen Konflikt eskalieren zu lassen und erhöht die Bereitschaft in den leidtragenden Bevölkerungsteilen, auf der Seite der Extremisten den Kampf gegen den Staat aufzunehmen. 13)

Es bleibt festzuhalten, dass vor allem solche Staaten und Regionen, deren Sicherheitsstrukturen lückenhaft und schlecht aufgestellt sind, Rückzugsräume für international organisierte Drogenkriminalität und terroristische Vereinigungen bieten. Korruption in der öffentlichen Verwaltung und im Wirtschaftssektor erschweren eine effektive Bekämpfung und können im Gegenteil sogar den Handel mit illegalen Waren und Substanzen befördern. Zerteilen räumlich-ethnische Konfliktlinien ein Land zusätzlich, so dienen diese Gegenden häufig als Handels- und Rekrutierungszentren für kriminelle Organisationen und Extremisten. Die ungebrochene Nachfrage von Rauschgift in Europa befördert so blutige Konflikte und Instabilität nicht nur in Nigeria und den Staaten der westafrikanischen Küste, sondern dient als Wachstumsmotor für sämtliche Drogenumschlagplätze in den Krisenregionen der Welt. 14)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. UN: World Population Prospect 2017; aufgerufen am 22.02.2018
  2. IWF: World Economic Outlook (Oktober 2017); aufgerufen am 28.03.2018
  3. Transparency International: Corruption Perception Index 2017; aufgerufen am 22.02.2018
  4. PWC: Impact of Corruption on Nigeria’s Economy; aufgerufen am 22.02.2018
  5. National Bureau of Statistics, Nigeria
  6. Human Rights Watch: Human Rights and Islamic Law in Northern Nigeria; aufgerufen am 20.02.2018
  7. START, University of Maryland: Boko Haram: An Assessment of Strengths, Vulnerabilities, and Policy Options; aufgerufen am 20.02.2018
  8. HRWF: Child soldiers in ISIS, PKK, Boko Haram…; aufgerufen am 20.02.2018
  9. BBC: Who are Nigeria’s Boko Haram Islamist group?; aufgerufen am 20.02.2018
  10. UNODC: World Drug Report 2017; aufgerufen am 20.02.2018
  11. AFK Insider: Are Drug Cartels Financing Boko Haram’s Bloody Attacks in Nigeria?; veröffentlicht am 09.03.2016
  12. AOAV: Sources of funding (including self-funding) for the major groupings that perpetrate IED incidents – Boko Haram; veröffentlicht am 25.05.2017
  13. Deutsche Welle: Boko Haram: Kampf gegen westliche Werte; veröffentlicht am 16.02.2014
  14. UN: Illicit Drug Trafficking Fuels Terrorism, Undermines Development, Says Secretary-General in Message to Ministerial Conference; veröffentlicht am 23.04.2015

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert