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Sierra Leone: Bürgerkrieg mitverantwortlich für heutigen Drogenmissbrauch

Ende September wurden zwei in Australien lebende Sierra- leonische Frauen schuldig gesprochen. Grund dafür war der Schmuggel von mehr als 13 Kilogramm Meth von Sierra Leone in die australische Großstadt Perth. Zwar bestritten die Frauen von den Drogen in ihrem Gepäck gewusst zu haben, dennoch sprachen die Indizien gegen sie: Der Richter verurteilte sie 1).

Sierra Leone ist seit vielen Jahren ein wichtiger Transitstaat für den Drogenschmuggel von Südamerika auf den europäischen Absatzmarkt. In der jüngsten Vergangenheit wurde der Handel mit Rauschmitteln im Land selbst jedoch immer lukrativer. Besonders ärmere Menschen versuchen so einen Ausweg aus der Armut zu finden, daneben beteiligen sich aber auch reiche Geschäftsleute am Rauschgifthandel. Oftmals geben sie vorgetäuschte Geschäfte an, um den dahinterliegenden Drogenschmuggel zu vertuschen. Zu dem vermehrten Handel kommt auch zunehmender Konsum. Im Jahr 2013 wurde über sechs Monate hinweg eine Studie zum Rauschgiftmissbrauch durchgeführt: 25 Prozent der 14 bis 60 Jährigen konsumieren Drogen- in etwa 98 Prozent der Fälle von Cannabis 2). Dementsprechend konsumiert jeder vierte Sierra Leoner ab 14 Jahren illegale Drogen. Eine alarmierend hohe Zahl!

Rauschmittel haben also die gesamte Gesellschaft durchdrungen, besonders betroffen ist jedoch die Jugend. Der Konsum illegaler Substanzen führt zur Verbreitung konkurrierender Banden, was wiederum gewalttätige Konflikte zur Folge hat. Zudem halten sich viele der Banden nicht an das Gesetz. Dementsprechend ist die soziale Sicherheit stark gefährdet. Auch die wirtschaftliche Entwicklung ist durch den massiven Drogenmissbrauch in der Gesellschaft gehemmt: Die Zukunft des Landes- die Jugend- bleibt, was die Arbeitswelt betrifft, regelrecht aus. Langfristig werden die Folgen stark zu spüren sein. Ein weiterer Aspekt: Korruption. Da rund 55 Prozent der Sicherheitskräfte und Regierungsmitglieder selbst Cannabis rauchen, ist das Land geprägt von Bestechung. Immer öfter werden Drogenhändler für etwas Schmiergeld durch die Beamten geschützt. Das gefährdet ganz massiv die demokratischen Werte 3).

Um die Drogenproblematik in Sierra Leone besser verstehen zu können, bedarf es eines Blicks in die Geschichte des Landes. Bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1961 war das westafrikanische Land britische Kolonie. 30 Jahre später brach einer der blutigsten Bürgerkriege des Kontinents aus. Die Rebellen der Revolutionary United Front (RUF) kämpften 10 Jahre lang mit ihren Verbündeten gegen regierungstreue Milizen. Die RUF hatte anfänglich gute Gründe, gegen die Regierung vorzugehen: Sierra Leone war von Korruption, Rohstoffausbeutung, Armut, einem schweren Zugang zu Bildung sowie hoher Arbeitslosigkeit, besonders unter den jungen Menschen, geprägt 4). Während die Regierung im Zusammenspiel mit internationalen Unternehmen von den reichen Diamantenvorkommen im Land profitierte, mangelte es der Bevölkerung am Nötigsten. Das schürte Groll unter den Anhängern der RUF. Finanziert wurde der Terror durch sogenannte Blutdiamanten: Die Miliz zwang Zivilisten in Mienen nach Diamanten zu schürfen, um mit dem verdienten Geld bewaffnete Gruppierungen zu unterstützen. Gegen Ende des Kriegs verdiente die RUF bis zu 125 Millionen Dollar pro Jahr an Diamanten 5).

Markenzeichen der RUF waren massenhafte Verstümmelungen der Zivilbevölkerung, nach Schätzungen wurden rund 20.000 Zivilisten entstellt. Zudem wurden mehr als 5.000 Kindersoldaten gewaltsam rekrutiert, die unter Einfluss von Drogen zu Gräueltaten gezwungen wurden 5). Auch die erwachsenen Kämpfer bekamen Cannabis, um mit der Kriegssituation besser umgehen zu können. Die Folge: Sie wurden abhängig und blieben das auch nach dem Krieg. Als die Kämpfer also in ihre Dörfer zurückkehrten, brachten sie die Droge mit und immer mehr Menschen kamen in Kontakt mit Cannabis 3).

Der Krieg konnte schließlich durch eine internationale Friedensmission beendet werden. Um den Wiederaufbau des Landes zu beschleunigen, wurde ein Reformprogramm angewendet: Internationale Gelder flossen in die Wiederherstellung der Polizei und anderer staatlicher Institutionen. Völlig missachtet wurde jedoch die hohe Drogenabhängigkeit in der Bevölkerung. Anti- Drogen- Programme bekamen kaum finanzielle Unterstützung. Dies zählt bis heute zu den schwerwiegendsten Fehlern in der Geschichte des Wiederaufbaus Sierra Leones.

Neben verheerenden Folgen für die staatlichen Strukturen und die Wirtschaft hat vor allem die Bevölkerung unter dem Bürgerkrieg gelitten. So hatte der Krieg fatale Auswirkungen auf den Handel und Konsum illegaler Drogen. Die Folgen des Kriegs führten regelrecht zu einer neuen Drogenkultur. Statistiken zeigen: In Sierra Leone gab es noch nie so viele Drogenhändler wie heute.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Perth Now: Two Sierra Leone women guilty of drug trafficking trying to smuggle methamphetamine into Perth; Artikel vom 27.09.2018
  2. Standard Time Press: Over one million illegal drug addicts in Sierra Leone; Aufgerufen am 04.10.2018
  3. Standard Time Press: The „phenomenon of the drugs culture“ in Sierra Leone; Aufgerufen am 04.10.2018
  4. Bpb: Sierra Leone; Artikel vom 30.07.2018
  5. E+Z: Blutdiamanten; Artikel vom 21.05.2012

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